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Essstörungen und Geschlecht
(2021)
Die Wahrscheinlichkeit, eine Essstörung zu entwickeln, unterscheidet sich stark je nach der Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung einer Person. Dies deutet darauf hin, dass Geschlecht eine große Relevanz für Essstörungen besitzt, welche durch psychologische Modellvorstellungen von Essstörungen bisher unzureichend erklärt werden kann. Durch den Einbezug von Erkenntnissen aus der feministischen Theorie und Geschlechterforschung in den theoretischen Hintergrund dieser Arbeit wird es möglich, Geschlecht als komplexes Konstrukt zu fassen, welches körperliche, psychologische, soziale und kulturelle Aspekte integriert, und dieses Konstrukt für die Erweiterung des Verständnisses von Essstörungen fruchtbar zu machen. Das empirische Vorgehen folgte der Methodologie der Grounded Theory. Es wurden 14 narrative Interviews mit ehemals von Anorexie oder Bulimie betroffenen Personen geführt, ausgewertet und zu einem theoretischen Modell integriert. Die Ergebnisse zeigen, dass an Geschlecht und Sexualität geknüpfte Erfahrungen, Erlebensweisen und Auseinandersetzungsprozesse auf unterschiedliche Weise den Selbst- und Körperbezug der betroffenen Personen kennzeichnen und sowohl für die Entwicklung der Essstörung als auch für positive Veränderungsprozesse relevant sind. Der Fokus liegt dabei auf normativen Konstruktionen von Weiblichkeit und auf geschlechtlicher Diversität. Die Ergebnisse bieten wichtige Implikationen sowohl für ätiologische als auch für therapeutische Modelle.
Die Arbeit untersucht die Bedeutung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der institutionellen Kindertagesbetreuung, um daraus Professionalisierungsmöglichkeiten für Fachkräfte abzuleiten. Zu diesem Zweck wird nach einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik eine mit pädagogischen Fachkräften durchgeführte Expert_innenbefragung qualitativ nach Joseph A. Maxwell (2012) ausgewertet.
Dabei wird gezeigt, dass vielfältige Anknüpfungspunkte an sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Kita-Alltag zwar existent sind, aber selten als solche wahrgenommen werden. Dadurch gehen Chancen verloren, Kinder optimal in ihrer Identitätsentwicklung zu begleiten und Entwicklungsrisiken vorzubeugen, obwohl kindheitspädagogische Fachkräfte mit ihrem bedürfnisorientierten Blick auf das Kind und einem reflektierten, kritischen Umgang mit gesellschaftlichen Geschlechterstereotypen dafür bereits wichtige Voraussetzungen erfüllen. Eine prinzipielle Offenheit für Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt scheint gegeben, aber es fehlen ein umfassendes fachliches Wissen und ein geschulter Blick auf entsprechende Aspekte. Auch die Gestaltung von Erziehungspartnerschaften erweist sich im Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt als schwierig. Chancen für eine Professionalisierung liegen dabei aus Sicht der Fachkräfte in einer Erweiterung des Angebots an Aus- und Fortbildungsinhalten, stärker aber noch im Ausbau der Angebote spezifischer Beratungsstellen, die dem Wunsch der Fachkräfte nach einer bedarfsorientierten, flexiblen Unterstützung vor Ort gerecht werden.
Die Arbeit bietet interessante Erkenntnisse für Mitarbeiter_innen in Beratungsstellen, frühpädagogischen Fachberatungen und pädagogischen Ausbildungsstätten wie Fach- und Hochschulen.